Direkt zum Inhalt

Jaron auf den Spuren des Glücks

Image
Jaron auf den Spuren des Glücks
Fabian Grolimund & Stefanie Rietzler
Verlag
Hogrefe
ISBN-Nummer
978-3-456-86178-4
Preis
28, 95 €
Kaufen bei Diana Künne, Pädagogischer Verlag und Buchhandlung

Eigentlich müssten drei Namen auf dem Einband des im Hogrefe-Verlag erschienenen Kinderbuchs „Jaron auf den Spuren des Glücks“ (seit Oktober für knapp 30 Euro im Buchhandel) stehen. Neben den beiden Autoren Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler hätte auch der Illustrator Marcus Wilke einen Platz auf dem Titelbild verdient, denn seine wunderschönen Illustrationen tragen ganz wesentlich zum Lesevergnügen bei.

Jedoch von vorne: Fuchs Jaron ist, wie bereits zu Beginn des immerhin fast 400-seitigen Buches mitgeteilt wird, der Sohn des Bürgermeisters. Er lebt in einer großen Villa am Dorfplatz und könnte mit seinem Leben zufrieden sein. Materiell hat er alles, was er braucht, mehr sogar, als er sich wünscht. Sein Vater ist einflussreich und nutzt diesen Einfluss auch für seinen Sohn. Beispielsweise, damit Jaron beim großen Fußball-Finale in der Mannschaft mit dabei ist. Er hat sogar die neuen Spieler-Trikots gestiftet. Zugleich hat der Vater große Erwartungen an seinen Sohn, durchaus in positivem Sinne: Was er, der Vater, erreicht hat, kann auch der Sohn erreichen. Jaron könnte sich glücklich schätzen.

Jaron ist jedoch nicht glücklich. Er ist selbst sein größter Zweifler und Kritiker. Zwar ist er mit David Dachs, dem Star der Fußballmannschaft befreundet, doch ist der coole David tatsächlich sein Freund? Immerhin ist Jaron der Sohn des Bürgermeisters. Und bringt ihm jeden Tag ein Pausenbrot in die Schule mit. Könnte das nicht der Grund dafür sein, dass David zu Jaron hält? Zumindest dann, wenn er allein mit Jaron ist und ihn nicht gegenüber den anderen Spielern der Fußballmannschaft verteidigen muss. Gegen die beiden Rowdies Vinnie Wildschwein und Marvin Marder stellt David sich hingegen nicht. Aber auch unter den Klassenkameraden ist Jaron nicht besonders beliebt, zu langsam und ungeschickt ist er.

Was dann passiert, ist Schicksal. Bei der Projektarbeit in der Schule landet Jaron, der Letzte ohne Team, in einer Mädchengruppe, die ihn nicht haben will. Nur Hasenmädchen Lotte hat nichts gegen Jaron. Und sie gibt der Gruppe ein Thema, von dem Jaron nichts versteht, obwohl es ganz viel mit seinem Leben zu tun hat: Glück! Im Weiteren folgen Jaron und die Mädchen allen Spuren des Glücks, die sich ihnen bieten, und lernen dabei, dass das Glück eine zarte Pflanze ist, die, obwohl gar nicht so selten, gesehen und gepflegt werden muss.

An wen richtet sich „Jaron auf den Spuren des Glücks?“ Verglichen mit den Fachbüchern und Testverfahren, die üblicherweise im Hogrefe-Verlag erscheinen, ist die psychologische Kinderbuchreihe „Kinder stark machen“ sehr klein. Die Autoren und Zeichner des „Jaron“ haben bereits vor zwei Jahren das gleichfalls sehens- und lesenswerte Kinderbuch „Lotte, träumst du schon wieder?“ bei Hogrefe veröffentlicht. In einer Rezension wurde es zurecht als „Gesamtkunstwerk aus Text und Illustration“ bezeichnet, eine Beschreibung, die auch das aktuelle Buch verdient. Zumal Hasenmädchen Lotte, wie bereits gespoilert, in „Jaron auf den Spuren des Glücks?“ wiederkehrt.

Anders als die verträumte Lotte, die als Modell für ADS dienen kann, fällt es allerdings schwer, Jaron als Bild einer spezifischen Disposition oder gar Störung zu begreifen. Am Ende der Geschichte macht das „Glücksjournal“ des Projektteams um Jaron und Lotte rund 40 Seiten des Buches aus: eine Art Arbeitsheft für die Leser/innen, was sie für das eigene Glück tun können. Ab Seite 366 gibt es darüber hinaus einige Seiten für Erwachsene zu den wissenschaftlichen Hintergründen des Buches, die Glück mit Resilienz, Bindung, Achtsamkeit und Motivationstheorien in Verbindung bringen und schließlich noch einen kurzen Exkurs zum Mobbing bieten. Selbst eine Bibliografie mit Hintergrund-Literatur findet sich am Ende des Buchs. Jeder, jedes Kind und jeder Erwachsene, sollte auf den Spuren des Glücks sein – seines Glücks und das der anderen!

Vielleicht ist es daher gut, dass Jaron nicht einfach als Abziehbild eines ängstlichen, depressiven oder aufmerksamkeitsgestörten Jungen dient. Neben allen Klischees, auf die ein Kinderbuch nicht verzichten kann, wenn es kulturell anschlussfähig sein will – und mit den vor Jahren überaus populären Büchern und Filmen der „Wilde-(Fußball)Kerle“-Reihe hat Joachim Masannek bereits eine wunderbare Typologie von Kinderpersönlichkeiten geschaffen, an die auch die Figur des Jaron streckenweise erinnert –, ist der Held auf den Spuren des Glücks schlicht ein Kind, das in den Grenzen seiner Lebenswelt, in der es sich vorfindet, zwischen dem eigenen Denken und Fühlen einerseits sowie den Erwartungen seiner Umwelt andererseits einen Weg finden muss. Nicht zwangsläufig den Weg zum Glück, denn als Lebensaufgabe hat das vergängliche Glück noch nie getaugt, doch einen Weg zur Selbstbehauptung. Wer erst einmal weiß, was er will, und in der Lage ist, diesem Willen Ausdruck zu verleihen, hat die ersten und wichtigsten Schritte zum Glücklichsein bereits getan.

Im letzten Kapitel schreibt Jaron in sein Glücksjournal: „Mit dem Fußball habe ich aufgehört. Zum Glück! Nur mit David kicke ich manchmal noch am Nachmittag. Aber ich bin froh, dass ich nicht mehr ins Training und zu den Spielen muss. […] Zum Cello muss sich auch nicht mehr. Papa war schon etwas traurig, dass ich das aufgebe, aber Klavier gefällt mir einfach viel besser. […] Papa arbeitet immer noch viel. Aber er redet jetzt mehr mit mir, hört besser zu und wir unternehmen öfter etwas zusammen. […] Wenn ich diesen Elfmeter nicht verschossen und mich Frau Lux nicht in die Mediengruppe gesteckt hätte, wäre das alles nicht passiert.“ Die Angst des Tormanns beim Elfmeter ist auch für den Schützen nicht hilfreich. Für Kinder, die sich ihren Platz im Leben erst noch erobern müssen, gleich gar nicht! „Jaron auf den Spuren des Glücks“ ist hingegen ein wunderbarer Wegbegleiter für alle Kinder.

Fabian Grolimund & Stefanie Rietzler (2022). Jaron auf den Spuren des Glücks. Mit Illustrationen von Marcus Wilke. Bern: Hogrefe-Verlag. € 28,95 als gebundenes Buch. Aufgrund der geschickt in den Text eingefügten schönen Illustrationen keinesfalls als E-Book kaufen!